Julius Hübner                            1872

1806 – 1882

 

 

Wenn!

 

Ach wenn wir wären, wie wir sollten sein,

Die erde wäre wohl ein Paradies,

Woraus kein Zornesengel uns verstieß,

Und keiner machte sich und andern Pein.

 

In stillem Frieden lebte Groß und Klein,

Wo Jedem sein Geschick die Stelle wieß,

Bis uns der Herr von hinnen gehen hieß;

Und lächelnd schliefen wir im Tode ein.

 

Was könnt’ uns dann der Himmel noch verleih’n,

Als selig lebend ohne Alters Pein

Ein ewig strebend heilig Geistes Sein?

 

Zu glücklich Loos!  Nur dann erst zu erreichen,

Liebt’ Jeder, wie sich selber, Seinesgleichen,

Wie Gott uns liebet, sonder Wank und Weichen.

 

 

 

Gießbach und Strom

 

Der Gießbach schwillt!  Wild heben sich und senken

Die Wogen, übervoll von Himmelsfluthen,

Er dampft und zischt, kocht wie im Höllengluthen,

Die donnernd seinen Sturz zum Abgrund lenken.

 

und Riesenblöcke von Urfelsenbänken

Reißt er, die tausend Jahre träge ruhten,

Wie ein Gigantenkampf will uns gemuthen

Solch Götterschauspiel, über Menschenschendenken.

 

Da nimmt im Thal ein weites Bett ihn auf,

Und majestätisch ruhig wird sein Lauf,

Stolz trägt er einen Flottenwald von Masten

 

Mit aller Welten reichen Segenslasten.

Den Jugendzauber kühner Leidenschaft

Verklärt des Mannes maßvoll reife Kraft.

 

 

 

Aufschwung

 

Will sich mir wohl noch einmal neues Leben

Vergang’ne Jugend noch einmal erschließen?

Soll ich verlor’nes Glück noch ein genießen,

In hohem Schwunge auf zum Himmel streben?

 

Wie? oder ist dies schon das Flügelheben

Der Seele, die der Erde will entfliehen,

Abschüttelnd dieses Daseins Last und Mühen,

Zum reinen Aether selig will entschweben?

 

Was es auch sei!  Frei will ich überlassen

Mein ganzes Selbst dem mächtig holden Zuge,

Mich tragen lassen von dem Wonnestrom.

 

Den Götteradler fühlt’ ich mich erfassen,

Er führt mich aufwärts in erhab’nem Fluge,

Im Geiste knie’ ich schon im Himmelsdom.